Das Spiegelkabinett, das Herzog Moritz Wilhelm Anfang das 18. Jahrhunderts im Merseburger Schloss einrichten ließ und 1925 durch einen preußischen Verwaltungsakt nach Berlin geschafft wurde, ist jetzt – wie Landrat Hartmut Handschak (parteilos) erklärte – wieder „back to Merseburg“ und hat damit den Weg zurück an seinen ursprünglichen Bestimmungsort gefunden. Zumindest in gewisser Weise, denn das echte Spiegelkabinett hat nicht den Weg zurückgefunden. Aber zumindest virtuell ist es jetzt möglich, in die Räumlichkeiten einzutauchen und das Spiegelkabinett mit den dazugehörigen Artefakten zu entdecken.
Möglich macht das eine im Rahmen des Netzwerkprojekts „Visualisierung immersiver Medien und virtueller Räume (IMVIR)“ von der Hochschule Merseburg entwickelte Virtual Reality-App. Federführend an der Entwicklung beteiligt waren Mechthild Meinike, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte an der Hochschule Merseburg sowie Prof. Dr. Marco Zeugner, Professor für Multimediale Sachkommunikation.
Mithilfe der Anwendung werden die Besucher*innen mittels einer VR-Brille in eine historische Szene versetzt und können das Spiegelkabinett in den ursprünglichen Räumlichkeiten digital entdecken. Zudem bekommt man einen Eindruck von der Fülle der einst dort zur Schau gestellten Exponate und es werden die heute im Grünen Gewölbe der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden noch erhaltenen zehn Preziosen gezeigt.
Vorausgegangen für die Erstellung der Räumlichkeiten und der VR-Anwendung waren neben historischen Aufzeichnungen und Architekturunterlagen umfangreiche Vorbereitungen und Vorbesichtigungen im Bode-Museum und dem Grünen Gewölbe, bei denen Vermessungen erfolgten und Fotografien des Spiegelkabinetts und der Preziosen gemacht werden konnten. Über die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Datensätze wurden Kunstschätze am Computer rekonstruiert.
Finanziert wurde das virtuelle Spiegelkabinett über das Netzwerkprojekt „Visualisierung immersiver Medien und virtueller Räume (IMVIR)“ des Ministeriums für Infrastruktur und Digitales, die Kulturförderung des Landes Sachsen-Anhalt für Museen und Sammlungen sowie aus Eigenmitteln des Landkreises Saalekreis. Die Öffnung des Spiegelkabinetts im Kulturhistorischen Museum Schloss Merseburg für den Besucherverkehr ist ab 1. März geplant.
Infobox:
Durch einen Verwaltungsakt von preußischen Regierungsbeamten wurde 1925 das prachtvolle Merseburger Spiegelkabinett nach Berlin geschafft. Der Zustand des um 1715 für Herzogin Henriette Charlotte zu Sachsen-Merseburg errichteten Spiegelkabinetts ist in seiner Grundstruktur erhalten geblieben. Konservatorische Maßnahmen haben Schlimmeres verhindert, und so zeigt sich das Spiegelkabinett mit einer unglaublichen plastischen Vielgestaltigkeit an vergoldeten Ornamenten, Figuren und Nischen. Bedingt durch die wechselvolle Geschichte fehlt ein Teil der dekorativen Elemente oder ist bei näherer Betrachtung beschädigt. Die Farbe und Struktur der hinterlegten bemalten Leinwände zeigten sich zum früheren Kobaltblau stark verändert. Ursprünglich standen auf den Regalen, Borden und in den Vitrinen weit über zweihundert kostbare Kunstgegenstände aus edlen Metallen, Elfenbein und Juwelen. Auch zierten viele Figuren und Gefäße aus chinesischem Porzellan die herzogliche Schatzkammer. Nach gegenwärtigem Forschungsstand sind zehn Objekte erhalten, die im Grünen Gewölbe der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden zu finden sind und aus dem Merseburger Schloss stammen – mehrere davon nachweislich aus dem früheren Spiegelkabinett. Dabei handelt es sich um kostbare Werke der Schatzkunst.
Seit 2012 wird die kostbare Wandvertäfelung im Bode-Museum präsentiert. Durch das an der Hochschule Merseburg angesiedelte Netzwerkprojekt „Visualisierung immersiver Medien und virtueller Räume (IMVIR)“ konnte das Spiegelkabinett in den Räumen des Kulturhistorischen Schlosses Merseburg virtuell wieder entstehen. Der ursprüngliche Standort im Schloss wurde baulich instandgesetzt.