„Energieeffizienz in Prozessen -  Beispiele aus Industrie und Praxis“

Um die Energieeffizienz zu steigern, sind meist Investitionen zur Prozessoptimierung erforderlich. Der Einspareffekt liegt aber in der Zukunft. Wenn alles gut läuft, deckt die Einsparung die Investition und sichert den Bestand des Unternehmens am Markt. Gleichzeitig soll die CO2 -Bilanz positiv beeinflusst werden. Ca. 40 Teilnehmer aus Industrie, Behörden und Wissenschaft diskutierten mit 5 vortragenden Experten und in der anschließenden Podiumsdiskussion über das aktuelle Thema.

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Dr. Christof Günther, Geschäftsführer InfraLeuna GmbH:
Für die energieintensiven Unternehmen in der Chemiebranche sind die hohen Strom- und Gaspreise ein Riesenproblem. Einzelne Kunden der InfraLeuna haben ihre Produktion im vergangenen Jahr um bis zu 50 Prozent gedrosselt. Die Anlagen können angesichts der aktuellen Energiepreise nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren. Wenn deren Produkte nicht mehr hier in Deutschland hergestellt, sondern durch Importe ersetzt werden, hat das den Ausfall von Steuereinnahmen zur Folge und am Ende einschneidende Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft. Durch erheblich reduzierte wirtschaftliche Aktivität wird man vielleicht die CO2-Einsparziele erreichen, sich aber gleichzeitig von Wohlstand und Beschäftigung verabschieden müssen.

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Dipl.-Ing. (FH) Matthias Kunath, Kaufmännische Geschäftsführung envia THERM GmbH, Bitterfeld-Wolfen:
Um die Energiewende mitzugestalten und auch energiepolitische Verantwortung zu übernehmen, haben wir als Energieversorger 2014 zusammen mit zehn Partnern am Chemiestandort Bitterfeld-Wolfen das Energieeffizienz-Netzwerk 1.0 gegründet. Zu einem Zeitpunkt, als die Anreize, Energie einzusparen, noch nicht so groß waren, ging es uns schon darum, die Effizienzpotenziale im eigenen Unternehmen zu erkennen und umzusetzen. In der Fortsetzung als Netzwerk 2.0 ging es uns um Ausbau und Weitergabe des Energie-Know-Hows an die Netzwerkpartner und um den Best-Practice-Transfer. Das Energieeffizienz-Netzwerk 3.0 wird die Dekarbonisierung des Standortes in den Fokus nehmen.

Dr. Karsten Liebmann, Pinch-Analyse & Energieberatung KMU, Halle (Saale):
Der Bedarf an Energieoptimierung ist kontinuierlich gewachsen. Infolge der Corona-Krise zum Beispiel sind viele Unternehmen wirtschaftlich geschwächt. Jetzt haben wir auch noch eine Energiekrise. Das stellt auch die Energieversorger vor Herausforderungen. Dennoch haben wir zunehmend Kunden, die trotz allem strategische Ziele, sprich Visionen verfolgen – zum Beispiel, klimaneutral zu sein. Allerdings ist es ein wirtschaftliches Risiko, eine Anlage energetisch zu verändern, um Prozesse zu optimieren. Die Lösung kann ein Benchmark sein – ein Bewertungsprozess in Bezug auf das Erreichen von energieeffizienten Leistungen der Anlage.


AshampooSnap2023092114h46m45s003Grüner Wasserstoff soll Standortvorteil werden

von Kathrain Graubaum

Der Kohlausstieg bis 2038 birgt für das Bundesland Sachsen-Anhalt Fragen, auf die federführend Dr. Jürgen Ude Antworten sucht – und auch findet. Der promovierte Ingenieur ist Staatssekretär für Strukturwandel und Großansiedlungen in der Staatskanzlei des Landes. Die Klärung der Bedeutung von erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff für die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt gehört zu seinen Aufgaben, einhergehend mit den Fragen zu Kosten und Verfügbarkeit am Standort. Dabei bezeichnet Ude den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft als ein wichtiges Element für die erfolgreiche Gestaltung des Strukturwandels in der Region. „Sachsen-Anhalt will sich zu einer Wasserstoff-Modellregion entwickeln. Die regionale grüne Wasserstoffwirtschaft soll ein ökologischer Standortvorteil werden“, ist Udes Botschaft. Darum habe das Land 2021 eine Wasserstoffstrategie beschlossen und bei der Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt LENA eine Koordinierungsstelle Wasserstoff eingerichtet.

AshampooSnap2023092114h47m02s004Ein zentrales Thema, sagt Staatssekretär Ude, sei der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur. Er nennt Meilensteine, die schon erfolgreich auf diesem Weg gesetzt wurden. Dazu gehört die PEM-Elektrolyse-Anlage für Grünen Wasserstoff der Firma Linde im Chemiepark Leuna. Der 24-Megawatt-Elektrolysor ging Ende 2022 in den Betrieb und soll bei voller Kapazität 4200 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produzieren.

Bis Ende 2023 soll das Hydrogen Lab im Chemiepark Leuna ausgebaut sein. Das HLL ist eine Forschungs- und Entwicklungsplattform der Fraunhofer Gesellschaft zur Erprobung von Elektrolyseuren im Industriemaßstab. Die Plattform dient der Abbildung der Wertschöpfungskette von der H2-Erzeugung bis zu Power-to-X-Prozessen.

Das „GreenHydroChem Mitteldeutschland“ ist eines der Reallabore der Energiewende, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert werden. Der Energiepark Bad Lauchstädt, so Ude, werde ein Vorzeigeprojekt, wie die Energiewende gemeistert werden könne. Kürzlich erfolgte der offizielle Spatenstich. Mittels Windenergie soll hier aus dem Wasser einer nahe gelegenen Talsperre Grüner Wasserstoff erzeugt werden, der in vorhandenen unterirdischen Kavernen zwischengespeichert wird.

„Die hohen Ausbaustufen an Erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt sind eine Besonderheit gegenüber anderen Bundesländern. Allerdings muss der Strom aus Erneuerbaren Energien verlässlich in großen Mengen und zu einem attraktiven Preis bereitgestellt werden. Nur dann ist er ein Standortvorteil“, betont Jürgen Ude. Es komme also darauf an, mit verschiedenen Akteuren aus Land und Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft tragfähige Konzepte für eine grüne Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen zu entwickeln.


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AshampooSnap2023092114h46m13s002Prof. Dr.-Ing. Harald Bradke ist Leiter des Competence Centers Energietechnologie und Energiesysteme am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Er hielt einen Vortrag zur CO2-neutralen Prozesswärmeerzeugung in der Industrie.

„Die energieintensive Industrie hat immer schon die meisten Energieeffizienz-Maßnahmen umgesetzt, die aus ihrer Sicht wirtschaftlich waren. Wäre die Energie teurer gewesen, hätte sie allerdings auch mehr Innovationen umgesetzt“, meint Prof. Dr.-Ing. Harald Bradke, Leiter des Competence Centers Energietechnologie und Energiesysteme am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe. In seinem Vortrag ging es um Optionen, wie die prozesswärme-intensive Industrie die Klimaschutzziele erreichen kann.

„Knapp 20 Prozent der (End-)Energie in Deutschland wird für Prozesswärme in der Industrie benötigt, knapp drei Viertel davon durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Heizöl und Kohle“, sagt Harald Bradke. Um Klimaneutralität auch hier zu erreichen, müssten diese Brennstoffe durch erneuerbare Energie ersetzt werden. Doch in welchen Fällen kann klimaneutral erzeugter Strom direkt zur Prozesswärmeerzeugung eingesetzt
werden, in welchen Fällen ist Grüner Wasserstoff erforderlich oder daraus hergestellter synthetischer Brennstoff?

Diesen Fragen ging eine umfangreiche Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI nach. Wissenschaftler Bradke leitet daraus Schlussfolgerungen für eine Transformationsstrategie ab. Zu den aus seiner Sicht wichtigsten Punkten gehört die Umstellung auf eine treibhausgas-neutrale Prozesswärmeerzeugung, technisch realisierbar sei sie bis 2045. Es seien aber noch weitere Forschung, Entwicklung und Demonstration notwendig. Den zusätzlichen Investitionsbedarf für den Neubau von Anlagen hält Bradke aus Systemsicht für eher gering. Allerdings sei die Umstellung auf CO2-neutrale Techniken mit deutlich höheren Energiekosten verbunden.

„Hybride Anlagenkonzepte können den Einstieg in die CO2-neutrale Prozesswärme ermöglichen. Als Beispiele nennt Bradke die Ergänzung bestehender Kernkraftwerke mit Elektrodenkesseln, Neuinvestitionen in zusätzliche elektrische Öfen bei Erdgas-Bestand, die Modernisierung bestehender Öfen auf Erdgas+H2 Brenner sowie die Teilelektrifizierung, z.B. Vorkalzinierung beim Klinkerbrennen.

Fraunhofer ISI


QUELLE: Mitteldeutsche Mitteilungen 1/2023