Gleich mit mehreren Jubiläen erinnerten Technikfreunde und der Hallesche Bezirksverein des VDI am Sonnabend, 12. September 2015, an eine einzigartige Industrietradition in Hettstedt

Es waren bodenständige Techniker und Handwerker aus dem Mansfelder Kupferbergbaurevier, die 1785 für eine Sensation sorgten: Mit einfachen Mitteln errichteten sie eine Energieanlage, von der man bis dahin nur ungefähr wusste, wie sie aussieht und im Detail funktionieren muss. Doch es klappte - und so arbeitete nunmehr auch in Deutschland die erste Dampfmaschine Wattscher Bauart.

Dass es ein Nachbau war, für den zuvor ein preußischer Oberbergrat spionierenderweise mehrmals bei James Watt in England weilte, schmälert diesen Verdienst nicht. Immerhin entstanden nach dieser Anlage bis 1806 noch neun weitere Dampfmaschinen in dieser Werkstatt. Hettstedt liefert damit auch die Vorbilder für den sich entwickelnden Dampfmaschinenbau in Westfalen, Sachsen und Oberschlesien. „Die Maschine hatte so eine erhebliche Initialwirkung für den Dampfmaschineneinsatz im deutschen Berg-, Hütten- und Salinenwesen. Es war ein bedeutender Schritt der Entwicklung des Maschinenbaus“, versichert etwa Sebastian Görtz, Geschäftsführer des Vereins Erlebniswelt Museen im Landkreis Mansfeld-Südharz.

Foto: Maik GretschelFoto: Maik GretschelVDI-Direktor Ralph Appel spricht am Maschinendenkmal. Foto: Harald LachmannSachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) spricht am Maschinendenkmal. Foto: Harald LachmannHettstedter-Bergmannsvereineweb.jpgVDI-Direktor Ralph Appel an der Dampfmaschine. Foto: Harald Lachmann

Bis 1794 diente jene erste deutsche Dampfmaschine zum Abpumpen der Grubenwässer im König-Friedrich-Schacht in Burgörner bei Hettstedt. Dann wurde sie durch eine stärkere ersetzt, arbeitete jedoch noch weitere 54 Jahre auf einem Steinkohlenschacht in Löbejün bei Halle/Saale. Doch ganz in Vergessen geriet sie auch im Mansfelder Land nie. Denn zwei Jahrhunderte später ließen Techniktüftler aus dem Maschinenbaubetrieb des großen Mansfeld-Kombinats (es hatte seine Wurzeln in jener Werkstatt von 1785) diese Anlage noch einmal auferstehen: Mit pedantischer Sorgfalt bauten sie sie anhand alter Fertigungsmethoden originalgetreu nach.

Die Einweihung dieses detailgetreuen und voll funktionsfähigen technischen Denkmals im Jahre 1985 wurde zugleich zur Geburtsstunde des Mansfeld-Museums in Hettstedt. Als Technikmuseum und zugleich Forschungsstätte zur Geschichte des jahrhundertelangen Kupferschieferbergbau, der Kupferverhüttung und der Halbzeugindustrie im Mansfelder Land bezog es Quartier in einem restaurierten Gutshaus, das inzwischen als Humboldtschloss firmiert. Denn der große Wilhelm von Humboldt hatte hier einige Jahre mit seiner Frau Caroline von Dacheröden gelebt.

Die Hauptattraktion des Museums bildet fraglos jene nachgebaute erste deutsche Dampfmaschine. In voller Bewegung legt er eindrucksvoll Zeugnis ab von der Technik in der Frühphase der Industrialisierung. Überhaupt, so scheint es, mauserte sich Hettstedt inzwischen zu einem Dorado für Dampfmaschinenfreaks aus Nah und Fern. So steuerte etwa Günter Danzglock aus dem nordhessischen Bad Wildungen ein ebenfalls voll funktionierendes 1:10-Modell jener Kolben-Wärmekraftmaschine bei. An ihnen erläutert dann Wolfgang Haase, der als technischer Mitarbeiter im Mansfeld-Museum arbeitet, interessierten Besuchern deren genaue Wirkungsweise.

Jährlich veranstaltet der Förderverein des Mansfeld-Museums jährlich Modell-Dampftage statt - dieses Jahr schon zum 23. Mal. Hier zeigen dann Technikbastler der Region die unterschiedlichsten Dampfmaschinen en miniature. Inzwischen wurde auch eine alte Dampfeisenbahn ganz stilecht revitalisiert und auf dem Gelände des finden am Humboldtschlosses schnauft auch eine ebenfalls recht spektakuläre Lokomobile. Diese Dampfmaschinenanlage, bei der Feuerung, Dampfkessel, Steuerung und Antriebseinheit auf einer gemeinsamen Plattform montiert sind, sei 1952 entstanden und sei die einzige noch laufende Dampfmaschine dieser Serie in Sachsen-Anhalt, ist hierzu von Vereinsmitglied Volker Schimpf zu erfahren. Damit die Anlage ihre volle Leistung von 80 PS entfalten könne, müsse der Kessel bis auf 10 bar Betriebsdruck aufgeheizt werden, erläutert er.

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Bereits 100 Jahre nach Inbetriebnahme der ersten Dampfmaschine von 1785 war dies der Region seinerzeit übrigens eine große Feier Wert gewesen. Auf Initiative des damals noch jungen VDI erinnerte ab 1890 sogar ein Monument auf einem Hügel bei Hettstedt an diese technische Pionierleistung. Und jenes Maschinendenkmal - so der offizielle Name - bot nun am zweiten Septemberwochenende zugleich die Kulisse für eine erneute Gedenkfeier. Denn inzwischen häuften sich im Mansfelder Land die Jubiläen: 230 Jahre erste Dampfmaschine, 125 Jahre Maschinendenkmal, 30 Jahre Dampfmaschinennachbau. „Und außerdem begehen wir in diesen Tagen die 25-jährige Wiederzulassung des VDI in der DDR“, so Dr.-Ing. Bernd Schmidt, Vorsitzender des gastgebenden Halleschen Bezirksvereins.

So war denn in Hettstedt auch großer Bahnhof angesagt: Neben der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Staatssekretärin Iris Gleicke (SPD), sowie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ließ es sich natürlich auch VDI-Direktor Ralph Appel nicht nehmen, persönliche seine Glückwunsche zu überbringen. Die VDI-Mitglieder der Region das Maschinendenkmal zuvor „ordentlich herausputzt“, wie Feierkoordinator und Bezirksvereinsschatzmeister Gerhard Brüsehaber versicherte. Schließlich sei es „das einzige Denkmal unseres Vereins“.

Zum festlichen Empfang am Denkmal, bei dem Haseloff ausdrücklich den VDI als Repräsentanten eines „höchst attraktiven Berufsstand in unserem technischen Zeitalter“ pries, präsentierten sich auch weitere technische Traditionsvereine aus dem südlichen Sachsen-Anhalt ein, so der Druckereiverein und die Mansfelder Bergwerksbahn. Außerdem wurden Ergebnisse von technischen Wettbewerben für Schüler und Jugendliche vorgestellt.

Wer nebenher seinen Blick vom Denkmalhügel über das umliegende Land schweifen ließ, entdeckte zahlreiche Halden, die der Bergbau zurückließ. Hätte man noch ein wenig weiterschauen können, wäre auch die Harzberge samt dem Örtchen Alexisbad ins Sichtfeld geraten - für den VDI bekanntlich ein magischer Ort. Denn eben hier, im heutigen Sachsen-Anhalt und kaum 30 Autominuten von Hettstedt entfernt, war dieser am 12. Mai 1856 gegründet worden. Das nächste Jubiläum steht denn schon für die an Industrietradition reiche Region in Haus.

Harald Lachmann


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Ingpost 4/2015 - September 2015

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