Aachen, die Partnerstadt Naumburgs, war das Ziel der diesjährigen Studienreise, organisiert vom Aachener Bezirksverein im VDI in Zusammenarbeit mit der Bezirksgruppe BLK. Die Städtepartnerschaft besteht seit 1988 und wurde 2008 um die Partnerschaft im VDI erweitert. Jährlich abwechselnd erfolgen seitdem gegenseitige Besuche mit interessanten Programmen und freundschaftlichen Treffen.

In diesem Jahr nahmen neben den Naumburgern auch Kolleginnen und Kollegen aus den Bezirksgruppen Wittenberg, Dessau und dem Saalekreis an der Reise teil.

Ziel war die Vertiefung der Verbindung zum Aachener BV im VDI und der RWTH Aachen, das Kennenlernen traditionsreicher Unternehmen dieser Region. Gleichzeitig wollen wir unsere Ingenieure immer wieder aufs Neue mit den Wegen zur Energiewende, also einer nachhaltigen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien vertraut machen.


Deutz Motor 18671. Etappe – die DEUTZ AG in Köln

Bereits auf der Hinreise wurde in Köln gestoppt  und die DEUTZ AG besucht. Michael Neuhaus, aus dem Bereich Mechanik, Dauererprobung der Motorenwerke, der bereits mehrere Male mit den Aachener Kollegen in Naumburg war, hatte diesen Termin ermöglicht. Die DEUTZ AG blickt auf eine fast 150-jährige Geschichte zurück. 1864 wurde die Firma als erste Motorenfabrik der Welt gegründet.

1867 entwickelte Firmengründer Nicolaus August Otto den ersten in größeren Stückzahlen produzierten Verbrennungsmotor der Welt: Die „atmosphärische Gaskraftmaschine“.

Ausnahmsweise wurde dieser Motor für uns in Betrieb gesetzt.

Leistung: 0,5 PS bei 80 U/min,
Kraftstoff: Leuchtgas,
Schaltwerk: Klemmrollen-Freilauf, parallele Ständerführung der Kolbenstange,
Zündart: Gasflammenzündung mittels Schiebersteuerung,
Gewicht: 700 kg,  

Deutz Motor 18671876 verwirklichte Otto den ersten funktions- und entwicklungsfähigen Viertaktmotor und begründete damit von Köln-Deutz aus die Motorisierung der Welt. Die historisch einmalige Sammlung von über 50 historischen Motoren des Unternehmens ist im Technikum zu besichtigen und geht auf das Jahr 1875 zurück.

Siehe auch: http://www.deutz.com/unternehmen/technikum.de.html


Ursprünglich um den Absatz seiner Motoren zu fördern, stellte Deutz seit 1926 Traktoren her und übernahm 1936 die LKW- und Omnibus-Firma Magirus in Ulm (Magirus-Deutz). Außerdem baute Deutz von etwa 1955 bis 1970 auch Diesellokomotiven. Die LKW- und Omnibus-Sparte wurde 1975 in die Firma Iveco eingebracht, wo LKW und Busse mit Deutz-Motoren unter dem Namen Iveco Magirus noch eine Zeit lang gebaut wurden. Die Traktoren-Sparte wurde 1995 an die italienische Firma SAME verkauft, die sich bald darauf in SAME Deutz-Fahr umbenannte und weiterhin Traktoren der Marke Deutz-Fahr herstellt. Deutz liefert und lizenziert seit Anfang der 1930er Jahre aber auch Motoren für Traktoren, LKW und Busse an viele Fremdfirmen, heute zum Beispiel an Fendt und Volvo.

In einem Rundgang durch das Unternehmen, wurde die Vielfalt der heutigen Fließband-Motorenfertigung in großen und kleinen Stückzahlen für Kunden in aller Welt anschaulich sichtbar. Eingesetzt werden diese Motoren nach wie vor in Traktoren, Lastkraftwagen,  Omnibussen, Triebwagen, Baumaschinen, Landmaschinen sowie Stationärmotoren für Biogasanlagen und andere Zwecke.

2. Empfang in Aachen

Nachdem Aachen erreicht und die Zimmer im Hotel Aquis Grana, mitten im Zentrum bezogen waren, wurden wir von Herrn Prof. Corves, Direktor des Institutes für Getriebetechnik und Maschinendynamik an der RWTH Aachen und Mitglied im Vorstand des Aachener BV im VDI, zu einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant „Macaroni“ empfangen.

An diesem Treffen nahm Herr Hubert Rothe, Ratsmitglied im Aachener Stadtrat, teil und überbrachte herzliche Grüße vom Aachener OB. Organisiert hatte diese Verbindung Frau Dr. Stephanie Lotze, verantwortlich für die Partnerschaftsbeziehungen im Naumburger Bürgerverein. Damit konnte das Netzwerk zwischen VDI, Aachener Stadtrat und dem Naumburger Bürgerverein enger geknüpft werden.


b_250_188_16250871_0_0_images_stories_3_Cont_2__mini.JPG3. Die Continental AG in Aachen

Am Freitagvormittag ging es zur Continental AG, ein Unternehmen mit über 140 jähriger Geschichte in der Aachener Reifenproduktion. Am Standort des ehemaligen Hüttenwerkes „Rothe Erde“ ließ sich 1929 der Reifenhersteller O. Englebert Fils & Co. nieder, welcher 1958 mit Uniroyal fusionierte und als Uniroyal Engelbert Deutschland AG firmierte. Nach der Übernahme durch die Continental AG wurde der Firmensitz nach Hannover verlegt, aber eine Produktionsanlage für Reifen in Aachen beibehalten. Continental ist heute in 46 Ländern mit 269 Standorten vertreten.

b_250_188_16250871_0_0_images_stories_3_Conti_1__mini.JPGIn Aachen fertigen 1400 Mitarbeiter jährlich 9,5 Mio. Reifen, fast 30 000 Stück am Tag, davon 90 % für PKW. 38 % eines Reifens besteht aus Gummi (Natur- und Synthesekautschuk). Der synthetische Kautschuk zur Fertigung kommt aus Buna. Für Winterreifen ist aber nach wie vor ein hoher Anteil an Naturkautschuk erforderlich. Hergestellt werden auch die inzwischen bei vielen Autobauern zum Standart gewordenen SSR-Reifen (Self Supporting Runflat), bei denen Insert-Profile in der Seitenwand im Pannenlauf die Last tragen und damit den Gummi-Gummi-Kontakt verhindern.

Herr Baecker informierte die Studiengruppe per Präsentation, Video und Rundgang im Unternehmen über den umfangreichen Werdegang zur Herstellung und Prüfung eines Reifens. 

Siehe auch: http://www.continental-reifen.de



Das Wasserkraftwerk Heimbach4. Das Wasserkraftwerk Heimbach

Am Nachmittag fuhren wir zum RWE-Wasserkraftwerk Heimbach, etwa 50 km von Aachen entfernt. Die Wasserkraft ist der Klassiker unter den erneuerbaren Energien. Das unter Denkmalschutz stehende, im Jugendstil errichtete, Kraftwerk produziert seit 107 Jahren Strom. 1905 war es das größte Speicherkraftwerk Europas und versorgte über ein eigenes fast 400 km langes Freileitungsnetz die Stadt Aachen, einen großen Teil der Eifel und Teile von Köln mit Strom.

Das Kraftwerk wird über einen langen Stollen mit Wasser aus der Urfttalsperre versorgt. Die ursprüngliche Ausrüstung mit acht Francis-Turbinen, die jeweils einen eigenen Generator zu 1,5 MW antrieben, war fast 70 Jahre in Betrieb. Im Museumsteil sind wesentliche Anlagenteile zu besichtigen.  Seit seiner technischen Erneuerung in den siebziger Jahren laufen zur Spitzenlast zwei Turbinen mit insgesamt 16 Megawatt Leistung, die mit bis zu 18 Kubikmetern Wasser pro Sekunde versorgt werden.


5. Empfang an der RWTH Aachen, das „Virtual Theatre“

Virtual TheatreFreitagabend wurden wir von Frau Prof. Sabina Jeschke, 1. Vorsitzende des Aachener BV im VDI und Direktorin des Institutsclusters IMA/ZLW & IfU der RWTH Aachen, Fakultät für Maschinenwesen in der RWTH Aachen erwartet. Ein Rundgang zeigte, auch Freitagabend ist noch viel Betrieb in den Laboren. Das RoboScope Labor zeigt die wunderbare Welt der Roboter "Made in Aachen". Wir sahen die Beschäftigung mit Legorobots und die Verbindung zu echten Produktionsroboter, immer auf der Suche nach möglichst viel künstlicher Intelligenz. Auch die Schulen Aachens haben mit Ihren Schülern dieses große Potential bereits angenommen und experimentieren fleißig mit.

Die Forschungsschwerpunkte ihrer Teams sind u.a. komplexe IT-Systeme (z.B. Cloud Computing, Internet of Things, Green IT & ET, Semantic Web Services), Robotik und Automatisierung (z.B. heterogene und kooperative Robotik, Kooperierende Agenten, Web Services in der Robotik), Verkehr & Mobilität (autonome und teilautonome Verkehrssysteme, internationale Logistik, car2car & car2X Modelle) und Virtuelle Welten für Forschungskooperationen (z.B. Virtuelle & Remote Labore, Intelligente Assistenten, Semantische Kodierung von Fachinhalten).


Seit April verfügt das Institutscluster über ein „Virtual Theatre“. Das virtuelle Theater der Firma MSE Weibull aus Schweden, mit der Seriennummer 000001 ist in dieser Form weltweit das erste – und damit einzigartig in der deutschen Universitätslandschaft! Es wurde im Rahmen des Projekts ELLI (Exzellentes Lehren und Lernen in den Ingenieurwissenschaften) vom BMBF finanziert und erinnert an Konzepte des Holodecks aus Star Trek. Anders als  im Elbe Dom, dem Virtual Development and Training Centre VDTC des Fraunhofer IFF in Magdeburg, wo in dem 360 Grad Großprojektionslabor Unternehmen ihre Produkte und Prozesse dreidimensional betrachten können, bewegen sich die Akteure direkt in einer virtuellen Welt. Drei zentrale Komponenten ermöglichen die Wahrnehmung der virtuellen Umgebung, die freie Navigation und die intuitive Interaktion:


  • Ein "Head Mounted Display" erlaubt eine nahtlose 3D-Sicht.
  • Durch ein omnidirektionales Laufband wird freies Laufen in der Simulation möglich.
  • Zur Interaktion mit Objekten der virtuellen Welt verfügt der "Cybernaut" über einen Datenhandschuh, der seine Gesten misst und diese in die Simulation überführt.


So wird z.B. der aktive Aufbau eines Prüfstands in einem Labor, das Begehen eines selbstkonstruierten Stahlwerks, eine Innenbesichtigung eines Atomreaktors - oder ein Spaziergang durch das antike Pompeji möglich! An Ort und Stelle waren Tests durch Teilnehmer unserer Studiengruppe möglich, die sich durchweg begeistert über diese moderne Technik äußerten.

6. Die Kupferstadt Stolberg und der Zinkhütter Hof

Der Samstagvormittag stand im Zeichen eines geführten Rundgangs durch die Altstadt von Stolberg, wenige Kilometer von Aachen entfernt. Der Ort wird bis heute als Kupferstadt bezeichnet, aber in Wirklichkeit wurde hauptsächlich Messing (Gelbkupfer) hergestellt. Das Wissen geht im Wesentlichen auf französische Hugenotten zurück, die nach ihrer Vertreibung zuerst aus Frankreich und dann aus Aachen um 1600 eine neue Heimat fanden.

Die Kupferstadt StolbergDer Abbau von Eisenerz- und Zinkspat (Galmei) und die Verarbeitung zu Messing haben für viele Industriezweige die Grundlage geschaffen. Unternehmen, wie Prym (Nadeln, Haken, Ösen u.a. Kurzwaren) die Dalli-Werke, die Stolberger Metallwerke, Grünenthal und andere haben die Stadt nachhaltig geprägt und beschäftigen 14.000 Menschen.

Das Kupfer zur Herstellung von Messing kam aus dem Mansfelder Land. Das sahen wir bei einem Rundgang durch den historischen Zinkhütter Hof, oberhalb der Altstadt, heute Museum. Sein Ursprung liegt um 1830. Es gibt heute zwei Ausstellungsschwerpunkte: Stolberger Zink sowie die Nadelproduktion im Aachener Raum. Um 1900 gab es allein in der Stadt Aachen 29 Nadelfabriken.

Von der Nadelverarbeitung leitet sich auch das Erkennungszeichen der Aachener ab: Sie strecken den kleinen Finger ihrer linken Hand gen Himmel, den „Klenkes“, mit dem in den Nadelfabriken der Ausschuss „ausgeklinkt“ wurde. Dann wissen die anderen – oder auch nicht – der da ist einer von denen!


7. Die Einladung nach Naumburg

Im Zinkhütter Hof kam es zum Treffen mit unseren Aachener VDI-Freunden, die wir seit 2008 kennen. Erinnerungen wurden ausgetauscht und unsere Einladung für den Besuch 2013 in Naumburg wurde besprochen. Diese Einladung hatten wir bereits am Vorabend dem Aachener VDI-Vorstand ausgesprochen, steht doch das Jahr 2013 im Zeichen der 25 jährigen Städtepartnerschaft Aachen – Naumburg. Wir wurden vor Fahrtantritt von unserem Naumburger Oberbürgermeister Herrn Küper informiert, dass die Stadt Naumburg ihr „Weinfest und Töpfermarkt 2013“ in der Zeit vom 23.08.2013 - 25.08.2013 diesem Höhepunkt widmet und um diesen Zeitraum Veranstaltungen mit den Aachener Freunden plant. Auch wir werden dann unsere VDI-Veranstaltungen um diesen Höhepunkt organisieren.


8. Das AachenSeptemberSpecial

An allen Abenden lud das AachenSeptemberSpecial mit einem vielfältigen Mix internationaler, nationaler und lokaler Künstler in die historische Aachener Altstadt ein. Liebhaber der Musik konnten mit über 30 Live-Konzerten auf vier Bühnen aus dem Vollen schöpfen. Von Pop, Latin, Ska, Soul und Blues-Rock bis Gipsy-Swing, Urban Vocals und Deutsch-Rock. Die Auswahl war groß. Mal virtuos harmonisch, mal mitreißend rhythmisch oder nachdenklich leise: Anspruchsvoll handgemachte Musik, die auch gerne mal genrefremde Exkursionen zulässt. Musik, mit und ohne Instrumente – zum Lauschen, zum Tanzen und zum Feiern. Insbesondere am Samstagabend gelang es uns, von Platz zu Platz und von Konzert zu Konzert zu schlendern.
 

9. Das Radioteleskop Bad Münstereifel - Effelsberg

Am Sonntag ging es leider schon wieder zurück. Das Wetter verführte zu einer Fahrt durch die Eifel, mit Stopp am Radioteleskop Effelsberg. Es ist mit seinem 3200 t Gesamtgewicht und einem Reflektordurchmesser von 100 m bis heute eines der beiden größten vollbeweglichen Radioteleskope der Erde. Es wurde dazu eingesetzt, eine hochaufgelöste Karte des gesamten Radiohimmels bei 73 cm Wellenlänge (408 MHz) zu erzeugen. Die Arbeit des Max-Planck-Institutes für Radioastronomie beruht seit 1972 zu einem wesentlichen Teil auf Beobachtungen mit diesem Teleskop.


10. Federweißer und Zwiebelkuchen

Anschließend ging es durchs Ahrtal und einen Stopp bei Federweißem und Zwiebelkuchen nach Hause. Das Ahrtal ist vor allem für seinen Weinanbau bekannt. Eine für den regionalen Tourismus bedeutende Rolle spielen die von Anfang September bis Ende Oktober stattfindenden Weinfeste in den einzelnen Weinorten, vor allem in Altenahr, Mayschoß, Rech, Dernau, Walporzheim, Ahrweiler und Heimersheim. Das Gebiet sowie die südlicher gelegene Vulkaneifel sind aber auch für Mineralwasser bekannt, so machten die eisenhaltigen Quellen (z. B. die Apollinarisquelle) Bad Neuenahr zur Kurstadt.

Der Tourismus ist ein seit Jahren ständig wachsender Wirtschaftsfaktor. Beliebt bei Wanderern ist der Rotweinwanderweg, der sich von Altenahr bis nach Bad Neuenahr durch die Weinberge schlängelt und bis Bad Bodendorf fortsetzt. Von der Ahr-Mündung in Sinzig führt der Ahr-Radweg mit geringer Steigung zumeist an der Ahr entlang.

Zu den Sehenswürdigkeiten gehört die Römervilla von Bad Neuenahr-Ahrweiler, eine Ausgrabung römischer Siedlungsreste in Ahrweiler, direkt am Rotweinwanderweg.

4 Tage mit vielen schönen Erinnerungen, wofür wir uns bei unseren Aachener Freunden und allen, die zum Guten gelingen beigetragen haben ganz herzlich bedanken.

Dieter Gödicke (VDI)


Ingpost, Ausgabe 4/2012, Oktober 2012