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Es häufen sich bundesweit die Meldungen, dass während der Corona Krise trotz weniger Straßenverkehr die Schadstoffimmissionen nicht gesunken, dagegen aber häufig gestiegen sind. Diese Anomalie ist nicht zu erklären. Mit einem solchen Störfall hat man nicht gerechnet, und die Ämter befinden sich in allerlei Erklärungsnot. Es ist interessant zu erfahren, wie man diesen Widerspruch aufklären möchte.


So kann man lesen, dass Feinstaubpartikel in Abgasen, Abrieb von Reifen, Bremsen und Fahrbahn, Heizung, Industrie, Landwirtschaft, Osteuropa, Straßenverkehr und beispielsweise die Meteorologie dafür verantwortlich sein sollen, als ob diese Emissionen und Einflüsse nicht schon zu allen Zeiten die Luftqualität beeinflusst hätten und nicht erst zu Lebzeiten des Corona Virus. Wegen ihrer Trivialität wird niemand diese Einflüsse bestreiten wollen, und die Aufzählung kann beliebig fortgesetzt werden. Mit solchen Listen kann man aber den Störfall nicht erklären. Die Verkehremissionen spielen dabei aber zweifelsfrei eine besondere Rolle. Die Liste der Aufzählung lässt sich in Verkehrsemissionen und andere Emissionen gliedern.

Schadstoffimmissionen werden gemessen und können mit validierten Ausbreitungsmodellen für Luftschadstoffe bestätigt und prognostiziert werden. Ausbreitungsmodelle beschreiben wegen der Linearität der zuständigen Stofftransportgleichung zwischen Emission und Immissionen einen ebensolchen Zusammenhang, was bedeutet, dass sich beispielsweise ca. 50 % weniger Verkehremissionen auch anteilig in ca. 50 % weniger Messung wieder finden müssen. Allerdings kann diese Linearität wegen unterschiedlicher Meteorologie im Einzellfall auch anders ausfallen, jedoch nicht über einen so langen Zeitraum hinweg, wie uns die Corona Krise schon in Atem hält. Jede Ausbreitungsklassenstatistik kann darüber Auskunft erteilen. Im Zusammenhang mit der Aufklärung des Corona Störfalls darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass das vorwiegend verwendete Ausbreitungsmodell AUSTAL2000 nicht validiert ist, was dem Umweltbundesamt mindestens seit 2015 bekannt ist. In Fachzeitschriften kann darüber nachgelesen werden. Haupt- und Erhaltungssätze sind verletzt. Folgt man der Analogie zwischen dem Impuls-, Wärme- und Stofftransport, so stehen die Referenzlösungen für Ausbreitung, Sedimentation und Deposition vergleichsweise dem 3. Newton’schen Axiom entgegen. Die Autoren des AUSTAL haben auch hier noch zu erklären, wie man mit Ausbreitungsmodellen, welche anerkannten Prinzipien widersprechen, Naturexperimente nachrechnen kann. Außeruniversitäre Forschungen sind blockiert. Wie soll die Entwicklung neuartiger Ausbreitungsmodelle für Luftschadstoffe vorangetrieben werden können, wenn sie ihre Gleichwertigkeit an falschen Referenzlösungen nachzuweisen haben. Corona wird auch hier Hilfestellung leisten.

Solange zwischen Messung und Prognose eine gute Übereinstimmung beobachtet wird, kann man die so ermittelten Schadstoffkonzentrationen als vertrauenswürdig betrachten. So hat man vor der Corona Krise Kritik an den eingesetzten Messverfahren weitestgehend zurückgewiesen und berechtigte Beanstandungen an dem verwendeten Ausbreitungsmodell in Abrede gestellt. Vor Corona hat man gerechnet und gemessen. So erhält man mit ca. 100 % Verkehrsemissionen und ca.100% andere Emissionen ca.100 % Simulationsergebnis sowie auch ca. 100 % Messung. Simulation und Rechnung stimmen weitestgehend überein. Die Corona Krise erlaubt jetzt eine ebensolche Betrachtung. Danach rechnet man mit bis zu ca. 50 % Verkehrsemissionen und ca. 100 % andere Emissionen und erhält bis zu ca. 50 % Simulationsergebnis sowie wiederum bis zu ca. 100 % Messung. Messung und Rechnung stimmen nicht überein. Der Störfall ist da. Beachtet man, dass wegen der Linearität das Superpositionsprinzip angewendet werden darf, so weist diese Unstimmigkeit schlüssig daraufhin, dass mit dem Ausbreitungsmodell des Umweltbundesamtes die Zusammenhänge zwischen Emission und Immission falsch beschrieben werden. Die Verkehrsemissionen werden erheblich überschätzt und die anderen Emissionen ebenso unterschätzt, was auch erklärt, dass Verkehrverbote und Umleitungen die erwarteten Wirkungen häufiger verfehlen als erfüllen. Obwohl das Umweltbundesamt über die dazu erforderlichen Daten verfügt und Bescheid weiß, überlässt es seinen Ämtern, darüber herumzurätseln und abenteuerliche Listen zu schreiben. Will man weiterführend eine Klärung herbeiführen, so gerät ebenso die Validät der amtlichen Emissionsmodelle ins Visier. Auch hier wäre vom Umweltbundesamt mehr Aufklärung als Stillschweigen erforderlich. Es ist den Fachbehörden zu empfehlen, die zur Verfügung stehende Datenbasis eher fundiert auszuwerten als wenig aussagefähige Listen zu schreiben.

Diese Listen der Ämter zu lesen ist vergnüglich. Weniger vergnüglich wird es allerdings, wenn man weiß, dass mit diesem Ausbreitungsmodell des Umweltbundesamtes auch Gefahrenabwehrpläne, Sicherheitsanalysen und Prognosen zur Ausbreitung beispielsweise radioaktiver oder toxischer Emissionen erarbeitet werden. Der Corona Beifang steht schon seit langem ungeklärt im Raum. Die mit ihm erkannten Probleme verlangen. dass das Fachgebiet der Modellierung und Berechnung der Ausbreitung von Luftschadstoffen grundsätzlich anders zu ordnen und neu zu durchdenken ist.


Prof. Dr.-Ing. habil. Rainer Schenk
Mitglied im VDI Hallescher BV