Pünktlich 14:00 Uhr waren wir auf »Sendung« für unsere Online-Gäste an den PC und im Lichthof der regiocom SE für unsere Präsenz-Gäste. Aufgrund der schon sehr niedrigen Inzidenzwerte in Magdeburg ermöglichte die Raumgröße eine Teilnehmerzahl von 50 Personen, die wir nur knapp verfehlt haben. Online verfolgten 24 Gäste die Veranstaltung. Mit den informativen Vorträgen rund um das Thema Wasserstoff schafften wir es, fast alle Online-Teilnehmer bis zum Ende an deren PC »zu fesseln«.
Der Gastgeber und Initiator des 12. VDI-Forums | Wirtschaft | Wissenschaft, Landesvorsitzender Klemens Gutmann, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, unter denen sich zahlreiche Verantwortungsträger aus Politik und Wirtschaft befanden. In seinem kurzen Einführungsvortrag machte er deutlich, dass Sachsen-Anhalt einerseits von der Energiewende mit solchen Kriterien, wie Kohleausstieg sowie durch energieversorgungs- bzw. energiekostenabhängige Wertschöpfungen und Industrien, betroffen ist. Andererseits aber heute schon mit einem vergleichsweise hohen Anteil an Wind-/PV-/Bioenergie punktet und über Energiespeichermöglichkeiten sowie kreative Akteure bzgl. Netz, innovative Erzeugung und IT-Lösungen verfügt. Hier sind nicht nur die EU, sondern auch der Bund und das Land gefragt, jeweils auf ihrer Ebene regulatorisch, fördernd, finanzierend, mitgestaltend usw. einzugreifen, um den Prozess der Klimawende optimal voranzubringen.
Die folgenden zwei Referenten des Forums waren uns online zugeschaltet. Den ersten Vortrag hielt Dr. Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH, über den »Markthochlauf für Wasserstoff: Erfahrungen aus der Praxis«. Dr. Günther berichtete über die Aktivitäten am Chemiestandort Leuna zur Erzeugung von grünem Wasserstoff mit einer Leistung von 30 MW ab 2022 und möglicherweise bis zum Jahr 2030 in Höhe von fast 1,2 TW – ähnlich einem durchschnittlichen Atomkraftwerk – so eine Prognose. Die Frage aus dem Publikum, ob Wasser in ausreichender Menge zur Wasserstoffherstellung vorhanden sei, konnte Dr. Günther positiv beantworten, denn der Bedarf dafür liege merklich unter den Mengen, die zu DDR-Zeiten für den Kühlkreislauf der Chemieanlagen benötigt wurden. Die Frage nach der Nutzung des als Nebenprodukt anfallenden Sauerstoffs verwies Dr. Günther an das Unternehmen Linde AG als Spezialist für technische Gase, das eine Nutzung bei entsprechender Wirtschaftlichkeit sicher betrachten wird.
Mit dem zweiten Online-Vortrag setzte Dr. Torsten Birth, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF, über eine »Wasserstofffabrik der Zukunft – Herausforderungen Mobiler Modularer Systeme« fort. Wie der Titel des Vortrags schon sagt, konzentriert sich Dr. Birth mit seinem Team beim Fraun¬hofer IFF auf die Konzipierung von flexiblen modularen Anlagen, genau zugeschnitten auf den jeweiligen Bedarf und die Möglichkeiten der Nutzung anliegender erneuerbarer Energien inkl. der Einbindung in die vorhandene oder mögliche Infrastruktur des jeweiligen Standortes. Dies stellte er anhand von aktuellen Projekten vor. Am Ende stellt sich das Team des Fraunhofer IFF auch die Frage, inwieweit sich solche flexiblen Anlagen an einem anderen Standort verlegen lassen inkl. aller Fragen der Betriebssicherheit, Genehmigungsprozedere u. v. m. In Zukunft wird es darum gehen, wo solche Anlagen überhaupt technisch und wirtschaftlich denkbar sind. Hier arbeitet man an einer Plattform H2digital, die Unternehmen bei der Beantwortung helfen soll, erste Einschätzungen zur Nutzbarkeit solche Anlagen treffen zu können. Herr Dr. Birth motivierte das Publikum, das Thema aufmerksam zu verfolgen, denn hier werde gerade viel auf den Weg gebracht von der Normung bis zur Planung und Umsetzung.
Im anschließenden Vortrag ging es um »Systemische Fragen über Wasserstoff als Energieträger«. Klemens Gutmann hatte hierzu Fakten zusammengetragen, um aufzuzeigen, dass Wasserstoff vermutlich der bestgeeignetste Energieträger zur Ablösung fossiler Gase für bspw. Haushaltswärme oder Prozessenergie ist und ein leistungsstarkes Back-up zur Sicherung der Netzstabilität bietet. Dafür führte er Zahlen der Energielast in Deutschland, regulatorische und technische Herausforderungen sowie mögliche Großverbraucher für den effektiven Beginn der Wasserstoffnutzung auf. Für die Einschätzung der Wirtschaftlichkeit stellte er ein Tableau mit den Elementen Quelle, Verteilung, Speicherung, Umsetzung und Anwendung vor und betrachtete auf dieser Basis beispielhaft konkrete Nutzungsbeispiele. Sein Fazit lautete: Es ist Einiges zu entwickeln, es bedarf umfangreicher Pilotierungen, damit hängen riesige Investitionen zusammen, massive regulatorische und politische Abstimmungen sind notwendig, was letztendlich einen gigantischen Koordinationsaufwand bedeuten wird.
Nach einer kurzen Pause informierte Staatssekretär Dr. Jürgen Ude, Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen Anhalt, über »Grünen Wasserstoff für Sachsen Anhalt – Die Wasserstoffstrategie des Landes«. Wie schon die Vorredner dargestellt haben, besitzt Sachsen-Anhalt gute Voraussetzungen für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Dafür haben sich drei unserer Ministerien zusammengetan, um eine gemeinsame Wasserstoffstrategie aufzustellen, welche kürzlich am 11. Mai 2021 von der Landesregierung verabschiedet wurde. Nun gilt es, die Strategie anhand von identifizierten Handlungsfeldern umzusetzen und fortzuschreiben, auch mit Blick über die Landesgrenzen hinweg. Hier hob Dr. Ude insbesondere die Mitwirkung an europäischen Wasserstoffinitiativen hervor und schloss mit der Vorstellung eines konkreten 8-Punkte-Plans zur Umsetzung der ersten Schritte.
»Energieträger Wasserstoff made in Sachsen-Anhalt«, war der Titel des folgenden Vortrags von Dipl.-Ing. Chris Döhring, Geschäftsführer GETEC green energy GmbH. Die GETEC betreibt bei Zerbst auf einem ehemaligen Militärflugplatz einen Energiepark mit Photovoltaik, Windenergie und Biogas. Nun ist hier gemeinsam mit Partnern der Aufbau der Wasserstoffregion Zerbst geplant, der sich aktuell in der Genehmigungsphase befindet. Nach Erweiterung des Windparks und dem Baubeginn der Wasserstoffproduktion im 3. Quartal 2021 ist die Inbetriebnahme Ende 2022 geplant. Parallel ist ein professionelles Abnahmemanagement inkl. mutiger Partner wie bspw. Wasserstoff-Pipelines, -Transporttrailer, -Gasnetzeinspeisung notwendig.
Dr. Bernd Schmidt, Vorstandsmitglied des Halleschen BV, nutzte anschließend die Gelegenheit, den »VDI-Dialog Innovativer Braunkohleausstieg« vorzustellen. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Online-Veranstaltungsreihe von acht in ihren Regionen davon betroffenen VDI-Bezirksvereinen. Ziel ist es, durch bundesweiten Austausch den zukunftsgerechten Ausstieg aus der Braunkohle und den fortschrittlichen Wandel in den Regionen wirkungsvoll zu begleiten und zu unterstützen. Interessierte können sich jederzeit über die Homepage des Halleschen BV unter www.vdi.de/halle über geplante Veranstaltungen informieren.
Den Abschluss bildete der Vortrag von Herrn Dr. Ingo Benecke, Geschäftsführer der HORIBA FuelCon GmbH, über die »Entwicklung der Wasserstofftechnologie und der Beitrag der HORIBA FuelCon«. Um die richtigen Entscheidungen für die Unternehmensausrichtung zu treffen, beobachtet die Horiba-Gruppe sehr genau die Entwicklungstendenzen des Markts. Interessant ist, dass Deutschland im EU-Vergleich 2030 mit Abstand den höchsten Wasserstoffverbrauch haben wird. Und aus Sicht von Horiba ist auch besonders interessant, dass mit einem merklichen Anstieg wasserstoffgetriebener Fahrzeuge zwischen 2030 und 2050 zu rechnen ist. Selbst bei den Automobilherstellern sind Veränderungen zu erkennen. Hier stehen immer effektiver werdende Batterieblöcke für E-Mobile mit Brennstoffzellenantrieben im Wettbewerb. Dieser Wettbewerb führt zu einer ständigen Verbesserung der Technologien und HORIBA FuelCon ist mit seinen innovativen Prüfständen für Brennstoffzellen, Batterien und Elektrolyseuren mitten in diesen Prozess involviert. Ende 2021 wird der Firmenneubau »Factory 2021« in Barleben ganz in der Nähe des aktuellen Firmensitzes fertiggestellt sein, in dem dann 3 000 m2 Büro- sowie 7 000 m2 Produktions- und Inbetriebnahmeflächen zur Verfügung stehen werden.
Wie diese kurze Zusammenfassung nur andeuten kann, boten alle Vorträge eine Fülle von Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln zur Wasserstoffnutzung. Wir danken allen Referenten noch einmal ganz herzlich für ihr Engagement. Jetzt kommt es darauf an, dass Wissenschaft, Wirtschaft, Forschung und Lehre an den Hochschulen des Landes diese Chance gemeinsam angehen, um in Zukunft in Deutschland, Europa und der Welt eine wichtige Rolle in Sachen Wasserstoff spielen zu können.
Dipl.-Ing. (FH) Barbara Schmidt
Redaktion Mitteldeutsche Mitteilungen