Tagung in Kooperation mit dem Kulturhistorischen Museum Schloss Merseburg, dem Altstadtverein Merseburg e. V. sowie der Stadt Merseburg.
Das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum 2019 soll Anlass sein, einen weniger bekannten, aber trotzdem sehr einflussreichen Architekten dieser Zeit in den Fokus zu rücken.
Von 1918 - 1930 prägte Friedrich Zollinger das Stadtbild Merseburgs beispiellos. In dieser Zeit entstanden mehrere Siedlungen mit den so genannten Zollinger-Dächern – einer Leichtbauweise aus Holz, die den Bau eines Eigenheimes auch für einfache Industriearbeiter in der damaligen Zeit erschwinglich machte. Sein innovatives Schüttbetonverfahren ermöglichte das Errichten von Reihenhäusern in kürzester Zeit.
Die Tagung beleuchtet Leben und Werk Friedrich Zollingers, sein Wirken in Merseburg und stellt seine Erfindungen in den Kontext des Neuen Bauens der 1920er Jahre.
Darüber hinaus werden im Rahmen der Tagung auch die Gegenwart und die Zukunft in den Blick genommen:
- Wie ist es heute um die Häuser und Siedlungen Zollingers bestellt?
- Wie geht die Stadt Merseburg mit seinem Erbe um? Und schließlich:
- Handelt es sich bei der Zollbauweise sogar um ein Konzept mit Zukunft?
Im Anschluss an die Tagung werden wir gemeinsam einen Stadtrundgang durch einige Zollinger-Viertel unternehmen (3,00 € pro Person, ermäßigt 1,50 €).
Als Zollingerdach bezeichnet man eine freitragende Dachkonstruktion nach einer Systembauweise, bei der gleichartige, vorgefertigte Einzelelemente rautenförmig zu einem Stabnetztragwerk zusammengesetzt werden. Das Bausystem wurde vom Merseburger Stadtbaurat Friedrich Zollinger Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt und ist auch unter dem Begriff Zollbauweise bzw. Zoll-Lamellen-Bauweise bekannt. Die Zoll-Lamellen-Bauweise wurde, obwohl auch für andere Bauteile vorgesehen, vornehmlich für gebogene Dachwerke verwendet.
Programm
9.30 Uhr |
Begrüßung |
10 Uhr |
Friedrich Zollinger, Architekt und Städteplaner im Kontext seiner Zeit Charlotte Bairstow, Gießen |
10.30 Uhr |
Das Wirken Friedrich Zollingers in Merseburg Dr. Karin Heise, Merseburg |
11 Uhr |
Architektur zwischen den Zeiten. Baukultur der klassischen Moderne im Umkreis Friedrich Zollingers – zwischen Rückbesinnung und Funktionalismus Dr. Olaf Karlson, Halle |
11.30 Uhr |
Zollingers Konstruktionen im historischen Kontext Dr.-Ing. Udo Bode, Hannover |
Mittagspause | |
13.30 Uhr |
Zollinger-Siedlungen: Status quo und Zukunftsoptionen Ivo Walther, Merseburg |
14 Uhr |
Große Dächer aus kurzen Stäben – Neue Chancen für ein hundertjähriges Konstruktionsprinzip Prof. Dr.-Ing. Alexander Stahr, Leipzig |
Kaffeepause | |
ab 15 Uhr | Stadtrundgang zu Gebäuden mit Zollinger-Dachkonstruktion |
Zur Person: Friedrich Zollinger
- 31.03.1880 in Wiesbaden geboren
- 1898 Beginn des Studiums der Architektur an der TU Darmstadt
- 1900 - 1902 während des Studiums im Architekturbüro Jakobi in Wiesbaden beschäftigt
- 1906 - 1908 im Gemeindebauamt Völklingen tätig
- 1907 Abschluss seiner Diplomarbeit im Bereich Städtebau mit dem Prädikat „Sehr gut“
- 1907 - 1908 Militärdienst als Offiziersaspirant beim Füsilier-Regiment Wiesbaden
- 1908 - 1910 Regierungsbauführer im hessischen Staatsdienst, Projektierung verschiedener Wohngebäude in Dieburg
- 1910 ließ sich Zollinger die von ihm entwickelte Zollbauweise patentieren
- 1911 Entwurf mehrerer Bahnhofsempfangsgebäude im Auftrag der Königlichen Eisenbahndirektion Frankfurt am Main
- 1911 - 1912 war Zollinger Stadtbaumeister in Aschaffenburg und Leiter der Hochbauabteilung, außerdem erarbeitete er einen Generalbebauungsplan für die gesamte Stadterweiterung und weitere Bebauungspläne für Industriegelände, Hafenanlagen und Wohngebiete
- 1913 Stadtbauinspektor in Berlin-Neukölln, Leiter des Büros für Städtebau, Bausachverständiger und Preisträger zahlreicher Wettbewerbe
- 1916 wurde Zollinger zur Bauabteilung der Baudirektion in Gent eingezogen, von wo er sich auf die ausgeschriebene Stelle eines Stadtbaurates in Merseburg bewarb
- 1918 hatte Friedrich Zollinger die auf 12 Jahre befristete Stelle des Stadtbaurates in Merseburg inne. In diesem Amt unterstand ihm das gesamte Bauwesen der Stadt mit Hoch-, Tief-, Straßen-, und Gartenbau, Baupolizei, Vermessungswesen und Verwaltung der städtischen Werke
- Zollinger war außerdem Geschäftsführer der Merseburger Baugesellschaft, Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Heimstätten sowie Geschäftsführer des Siedlungsausschusses Merseburg - Leuna - Geiseltal und überregional sehr anerkannt
- 1922 konzipierte er einen Generalbebauungsplan und plante zehn neue Stadtviertel, welche mit Hilfe eigener neuartiger Bautechnologien, der Zollbauweise, gebaut wurden
- der Generalbebauungsplan sah außerdem Umgehungsstraßen nach Halle, Weißenfels und Leipzig vor und war bis in die 60er Jahre des 20. Jh. maßgebend für die Verkehrsplanung der Stadt
- während seiner Amtszeit entstanden u.a. 1.086 Neubauten mit 2.523 Wohnungen, die die extreme Wohnungsnot in der Stadt spürbar linderten
- neben städtebaulichen Planungen leistete er auch Beiträge zur Saaleregulierung und zur Landesplanung
- 1930 wurde die Stelle des Stadtbaurates aus politischen und finanziellen Gründen nicht wieder besetzt und Zollingers Arbeitsvertrag nicht verlängert, so dass er am 8. Dezember 1930 aus dem Dienst der Stadt Merseburg ausscheiden musste und eine freiberufliche Tätigkeit aufnahm
- 1932 verließ Zollinger Merseburg nach Darmstadt, wo er an der Technischen Hochschule unterrichtete
- 1933 wirkte er als Architekt in Wiesbaden
- 1934 arbeitete er an verschiedenen großen Bauprojekten in München
- 19.04.1945 starb Friedrich Zollinger in Aising-Kaltmühl bei Rosenheim