VON ANTONIE STÄDTER
Einmal kam ein Kunde in die Tankstelle am Zeitzer Kleefeldplatz und versetzte mit seinem Oberarm Wolfram Horn in großes Staunen: „Er hatte sich tatsächlich den Minol-Pirol tätowieren lassen - dabei war er noch recht jung, höchstens 40“, erzählt der langjährige Tankstellen-Pächter. Den Pirol, bekannte Werbefigur der einstigen DDR-Tankstellenkette Minol, konnte der tätowierte Mann also höchstens noch aus Kindertagen kennen.
Doch der Kult um den gelben Vogel mit der Latzhose hat offenbar überlebt, auch wenn heute nur noch der Minol-Standorte existieren. Horns Tankstelle in Zeitz gehört zu diesen Raritäten unter den Zapfanlagen. Wobei es vor einigen Tagen noch eine mehr war. Doch die kleine, altehrwürdige Minol-Tanke in Leipzig-Lindenau wurde nun geschlossen. „Wir bauen die Station um“, heißt es dazu von einer Sprecherin des Mineralölkonzerns Total, zu dem die Minol- Tankstellen seit mehr als 20 Jahren gehören. Die Station, die einen größeren Shop bekommen soll, werde dann als „Access“-Tankstelle weitergeführt. So gibt es neben der Zeitzer Minol-Station nur noch jene inHeidenau (Sachsen) und Wesenberg (Mecklenburg-Vorpommern). Tankstellenverzeichnis von 1956 Olaf Wagner sieht die Schließung mit gemischten Gefühlen - „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“.
Dazu muss man wissen: Wagner kennt Minol - übrigens ein Kunstwort aus „Mineralöl“ und „Oleum“ (lateinisch für Öl) - wie kaum ein anderer. Er hat ab 1980 selbst 13 Jahre lang für Minol gearbeitet, ab 1990 als Pressesprecher. Danach folgten 20 Jahre in der Leuna-Raffinerie, bis 2014. Minol hat den heute 67-Jährigen nie losgelassen: Der Leipziger recherchiert und sammelt mit großer Leidenschaft alles rund um die Kultmarke - von Fotos, Dokumenten und Plakaten bis zur Pirol-Figur, vom Tankstellenverzeichnis aus dem Jahr 1956 bis zum Werbeschild für den Verkehrsservice im Radio von 1987. Doch wieso sieht ein Minol-Begeisterter wie er die Schließung der Leipziger Station auch mit einem lachenden Auge? „Wenn man es ganz nüchtern sieht, war die Tankstelle in die Jahre gekommen und kein Aushängeschild mehr für die Ostmarke Minol“, sagt er dazu. „Kein Vergleich zu den 200 nagelneuen lila Minol- Stationen, die wir in einem Kraftakt nach der Wende gebaut haben - da war alles top.“ Damals hatte Minol von den Farben Gelb und Rot, die schon von Shell besetzt waren, auf Lila gewechselt. Natürlich sei er wie viele andere traurig über die Schließung der Leipziger Station, sagt Olaf Wagner: „Wieder verschwindet ein Stück Minol- Geschichte.“
Ein Stück Geschichte, mit dem etliche Menschen in Ostdeutschland persönliche Erinnerungen verbinden - „seien es Der Minol-Pirol und seine Sprüche Der Minol-Pirol war das Maskottchen der einzigen DDR-Tankstellenmarke Minol. Bekannt war der lustige Vogel für seine flotten Sprüche, die Ratschläge in Reimform enthielten und von einem Autor der Satirezeitschrift „Eulenspiegel“ erdacht wurden. Diese verkündete der Minol-Pirol regelmäßig in der DDR-Werbesendung „Tausend Tele-Tips“. Hier einige der bekanntesten Sprüche: „Stets dienstbereit zu Ihrem Wohl, ist immer der Minol-Pirol.“ „Zum Wochenend’ ist alles klar, für den, der freitags tanken war.“ „Mach dich vertraut mit dem Gedanken, für runde D-Mark stets zu tanken.“ „Den Tele-Tip, der helfen soll, gab Ihnen der Minol-Pirol.“ die jahrzehntelang gleichbleibenden Preise von 1,50 Mark für Benzin und 1,65 Mark für Super Extra, Urlaubsfahrten mit dem Auto oder auch die langen Warteschlangen an den rotgelben Zapfsäulen“. Auch ein Großteil von Wolfram Horns Berufsleben wurde von Minol geprägt:
„Mit Minol hat alles angefangen und mit Minol wird es enden“, sagt der 64-jährige Tankstellenpächter aus Zeitz. „So langsam muss ich schließlich an den Ruhestand denken“, ergänzt er - auch wenn er dafür noch keine konkreten Pläne hat. Es war kurz vor der Wiedervereinigung, da fing der frühere Kraftfahrer als Tankwart an einer Minol-Station in Osterfeld (Burgenlandkreis) an der Autobahn an. „Damals wurde noch draußen abkassiert, Tankstellen-Shops wie heute gab es noch gar nicht“, erinnert er sich. Wie sich die Zeiten ändern Die Zeiten haben sich geändert. „Früher hat eine Tankstelle ihre Erlöse aus dem Tankgeschäft gemacht - heute sind auch das Shop- und Autowaschgeschäft enorm wichtig.“
Horn selbst hat die Tankstelle in Zeitz vor fast exakt 25 Jahren, „am 1. Dezember 1996“, übernommen. Seit 2013 trägt sie wieder den Namen Minol. Heute habe die Tankstelle, die sich mitten in der Stadt befindet, nicht nur einige langjährige Mitarbeiter, die schon seit mehr als 20 Jahren hier arbeiten - „sondern auch sehr viele Stammkunden“, erzählt der Minoler. Und: „Einige kommen vor allem deshalb hierher, weil es eine Minol- Tankstelle ist.“ Übrigens: Minol-Fans, die angesichts der Schließung der Leipziger Station um die letzten verbliebenen Kult-Tanken bangen, können beruhigt sein. „Weitere Umbaupläne gibt es nicht“, versichert die Total-Sprecherin. Und betont mit Blick auf den Erhalt der Markenrechte: „Die Marke Minol gehört zu unserer Geschichte und wird auch aus rechtlichen Gründen weiter benutzt.“
Der Minol-Pirol machte kräftig Werbung - in den 60er Jahren etwa für Schmieröl aus Zeitz (links) und Ende der 80er für das DDR-Radio.
Aus für Leipzigs letzte Minol-Tankstelle
Einstige DDR-Marke wird seltener. Im Osten verbleiben nur noch drei Zapfanlagen.
Der Pirol ist vom Aussterben bedroht. Jedenfalls der von Minol. Die letzte Leipziger Minol-Tankstelle in der Farbe Lila machte am Donnerstag, dem 25.11.2021 ihre Türen zu. Was der französische Energiekonzern Total Energies, der die Rechte an der einstigen DDR-Marke Minol hat, mit dem Areal vorhat, ist offen. Auf Nachfrage hielt sich das Unternehmen bedeckt.
Nach Informationen der LVZ soll die in die Jahre gekommene Zapfstelle grundlegend umgebaut und unter neuer Flagge weiterbetrieben werden. Erst vor eineinhalb Jahren war Peter Karrow, der langjährige Pächter der Station in Leipzig-Lindenau, in der Ruhestand gegangen. Der damals 63-Jährige zog am letzten Tag noch einmal Latzhose und Jacke mit Minol-Schriftzug an und verabschiedete sich so von seiner langjährigen Kundschaft. Die LVZ war damals dabei. In der Hand hielt er den Minol-Pirol – das Maskottchen der ehemaligen DDR-Tankstellenkette.
Der Minol-Pirol zog sich nach der Wende um
„Stets dienstbereit zu ihrem Wohl, ist immer der Minol-Pirol.“ Mit diesem Spruch auf dem Schnabel. flatterte der Vogel ab 1960 durch das DDR-Fernsehen. „Und in die Herzen der Zuschauer“, meint der Leipziger Olaf Wagner, der nach der Wende Sprecher bei dem Kraftstoffverkäufer Minol und später bei der Erdöl-Raffinerie in Leuna war.
1993 hatte Karrow die Tankstelle in Leipzig-Lindenau übernommen. Da strahlte die Einrichtung schon in Lila. Das für Minol typische gelb-rote Kleid musste der Pirol schon nach der Wende ausziehen, denn Shell beanspruchte die Farben für sich. So wählte Minol für sich die Farbe Lila und investierte Millionen in den Umbau seiner Tankstellen.
Nur noch eine Minol-Tankstelle in Sachsen
Dazu gehörte auch die von Peter Karrow. Eingepfercht zwischen Altbauten fehlt es der Station in Leipzig-Lindenau zwar an Platz. Was eine echte Tankstelle ausmacht, hat beziehungsweise hatte sie aber zu bieten: Waschanlage, Staubsauger und Luftdruckprüfer. Natürlich Zapfsäulen für Diesel, Super und Superplus sowie einen kleinen Shop mit bis unter die Decke gefüllten Waren. Minol-Kenner Wagner sieht der Schließung der letzten Leipziger Minol-Tankstelle mit gemischten Gefühlen entgegen. „Viele sind gern in die Lützner Straße zum Tanken gefahren. Auch ich“, sagt er. „Nicht nur wegen des günstigen Benzinpreises.“ Andererseits habe die Station schon bessere Zeiten gesehen. „Der Lack ist ab. Also keine gute Visitenkarte mehr für die Ostmarke Minol“, sagt Kenner Wagner. Immerhin gebe es aus Gründen des Markenschutzes unter dem Dach von Total Energies noch die anderen drei Minol-Tankstellen. Sie befinden sich im sächsischen Heidenau, in Zeitz in Sachsen-Anhalt und in Wesenberg in Mecklenburg- Vorpommern.